Montag, 24. August 2009

Ich habe das Gefühl...

Ach ja?
Sicher, dass es sich dabei um ein Gefühl handelt?

"Ich habe das Gefühl, sie mag mich nicht."
"Ich habe das Gefühl, ich bin hier überflüssig"
"Ich habe das Gefühl, die akzeptieren mich nicht."

Sätze wie diese beschreiben Pseudo-Gefühle.
Wenn sich in deiner Aussage Formulierung "Ich habe das Gefühl" auch ersetzen ließe durch "Ich glaube", "Ich vermute", "Ich habe den Eindruck", "Ich halte mich/jemanden für" oder auch "Ich denke",

dann handelt es sich hier de facto um Vermutungen, Interpretationen, Projektionen, Eindrücke oder Rückschlüsse - um Gedanken.


(Foto: www.artfavour.com)



Gefühlskompetenz

Gefühle zu haben ist ausgesprochen sinnvoll. Sie sagen uns nicht nur, was wir gerade brauchen, sie geben auch Signale an andere Menschen.

Die Gefühle Freude * Angst * Interesse * Traurigkeit * Ärger * Ekel * Scham * Schuld und Überraschung werden in allen menschlichen Kulturen mimisch völlig übereinstimmend ausgedrückt.


Gefühle zu haben bedeutet, ganz lebendig und im guten Kontakt mit der Welt zu sein.


Du kannst eine Menge tun, um die guten Gefühle einzuladen. Auch wenn es vielleicht paradox klingt: Die guten Gefühle gibt es, wenn alle - auch die schwierigen Gefühle - da sein dürfen. Gefühle lassen sich nämlich nicht selektiv wahrnehmen. Entweder du fühlst - und zwar alles - oder du fühlst nicht.

Das bedeutet, dass du für immer auf Liebe verzichtest, wenn du dir nie mehr weh tun lassen willst.
Es bedeutet, dass du garantiert depressiv wirst, wenn du deine Wut nicht mehr fühlst.
Es bringt mit sich, dass du ein echt heimtückischer Stinkstiefel wirst, wenn du beschlossen hast, nur noch Licht und Liebe zu sein.
Es könnte der Grund sein, weshalb du zwar konstant harmonisch und liebevoll mit deinem Partner zusammen lebst, aber deine Libido sich verabschiedet hat.
Es führt dazu, dass du die Leere, die durch die Abwesenheit von Gefühlen entstanden ist, mit Essen, Konsum oder Arbeit zu füllen versuchst.
Es macht, dass du dich immer mehr vor Gefühlen fürchtest, weil deine Kompetenz, Gefühle zu händeln, verkümmert ist, wie ein lange nicht bewegter Muskel....



Und das alles nur weil dir der Mut gefehlt hat, ein Gefühl anzunehmen, es durch laufen zu lassen und daran zu wachsen?

* Hat dir, als du ein Kind warst, jemand eingeredet, nur schlechte Menschen hätten schlechte Gefühle?
* Musstest du dich schuldig fühlen, weil dein kindlicher Zorn, dein gesunder Eigennutz, deine natürliche Abgrenzung, deine tiefe Traurigkeit angeblich Gott oder deine Eltern so tief zu kränken vermochte, dass sie an dir leiden mussten?
* Gab es ein Trauma (emotionale, sexuelle, körperliche Gewalt), das so unerträgliche Gefühle verursachte, dass deine Seele die Notbremse ziehen musste?
* Gab es verrückt machende Unterschiede zwischen dem, was die Erwachsenen behaupteten und dem, was du wahrgenommen hast?

Ja? Dann rede darüber - am besten mit einem Profi.

Nein? Dann fehlt dir nur etwas Kultur.
Achte also auf deine Worte, denn sie sagen dir, was du denkst.
Achte auf deine Gefühle, denn sie sagen dir, was du brauchst.

Teilnehmer von Aufstellungsseminaren berichten häufig, dass sie im Stehen in Stellvertreterrollen erstmals eindeutig und klar Gefühle wahrnehmen und benennen konnten.
Die Einladung, sich auf eine Rolle einzulassen, wahrzunehmen, welche Gefühle und körperlichen Empfindungen sich an einem bestimmten Platz einstellen und auf welche Weise diese sich verändern, wenn die Position verändert wurde oder etwas ausgesprochen wurde, macht für viele erstmals zum Auftrag, was lange verboten schien: Fühlen und Gefühle zeigen.

Es kann so freudig sein, selbst tiefe Trauer, heftige Wut oder massive Abscheu kommen zu lassen und auszudrücken. Mag es im Moment auch etwas anstrengend sein. Hinterher ist Leben in jeder Körperzelle und die Lust auf Erfahrungen und Begnungen in dieser unserer besten aller Welten erwacht und lässt dich hoffentlich nicht mehr los!


Denn die guten Gefühle brauchst du nicht zu suchen. Du wirst sie gar nicht verhindern können, wenn du nur Mut und Demut genug aufbringst, dich selbst in jedem Zustand wahrzunehmen - zu fühlen.






Mein Buchtipp zum Thema Gefühlskompetenz:

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